1. Oktober 2020

Tierwohlindikatoren in der Milchviehhaltung

„Das Auge des Herrn mästet das Vieh“, wie eine alte Bauernweisheit besagt. Mit der Entwicklung von Kriterien zur Einschätzung des Tierwohls soll dieses vielzitierte „Auge“ des Tierhalters nun auch digital unterstützt werden. Katalysator für zahlreiche Projekte in diesem Bereich war die Aufnahme einer betrieblichen Eigenkontrollverpflichtung des Nutztierhalters anhand geeigneter Tierschutzindikatoren in den § 11 Absatz 8 des Tierschutzgesetzes (TierSchG). Eines der ersten Projekte auf Bundesebene, die im Milchviehbereich ihre Abschlussergebnisse in diesem Jahre vorgelegt haben, ist das Projekt „Q Check“ vom Deutschen Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfung e. V. (DLQ).

Das Projekt wurde 2017 vom DLQ initiiert und vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert. Ziel war es, ein Tierwohlindikatorenset mit Warn- und Zielwerten für das betriebliche Herdenmanagement und die Eigenkontrolle nach TierSchG sowie ein
nationales Tierwohlmonitoring auf Basis der verfügbaren Daten aus der Milchleistungskontrolle zu erstellen. In das Projekt waren u. a. auch der DBV und der QM Milch e. V. einbezogen, die das Projekt ebenso kritisch wie konstruktiv
begleitet haben.

Praxisorientiert ausgerichtete Tierwohlindikatoren
Die nun vorgelegte DLQ-Richtlinie 2.0 enthält ein Set von 14 Indikatoren für die Bereiche Eutergesundheit, Stoffwechsel, Merzungen/ Nutzungsdauer und Mortalität mit jeweiligen Warn- und Zielwerten und deren Berechnungsmodalitäten. Konkret werden die Milchviehbetriebe, die an der Milchleistungsprüfung (MLP) teilnehmen, mittels Quartals- bzw. -Jahresberichte ab der 2. Halbjahreshälfte 2020 ihren betrieblichen Status bezüglich der Tierwohlindikatoren erhalten. Ergänzend sind differenzierte Vergleiche (vertikal, horizontal) für die Betriebe möglich.

Indikatoren Aufwandsreduziert ausrichten
Der DBV hat sich im Zuge seiner Projektteilnahme für praxisorientierte und aufwandsreduzierte sowie eine zahlenmäßig angemessene Ausrichtung der Indikatoren eingesetzt. Die Reduzierung der Indikatoren (von ursprünglich
54 Kriterien auf 14) sowie der hohe Automatisierungsgrad der Datenerfassung und -auswertung im Rahmen der MLP ist aus Sicht des Arbeitsaufwandes für den Milchviehhalter positiv zu bewerten. Damit haben derzeit ungefähr zwei Drittel der deutschen Milchviehbetriebe (MLP-Teilnehmer) eine effiziente Möglichkeit, eine Eigenkontrolle nach TierSchG vorzuweisen und können zudem die Indikatoren-ergebnisse in ihr Herdenmanagement einbeziehen.

Q Check-Berichte können Blick im Stall nicht ersetzen
Unbenommen davon bleibt abzuwarten, inwieweit und mit welchen Konsequenzen die Q Check-Berichte zur behördlichen Kontrolle der Tierschutzsituation im jeweiligen Betrieb herangezogen werden. Vor der bürokratischen Form eines „Zollstock-Tierschutzes“ hatte der DBV in diesem Zusammenhang wiederholt gewarnt. So wie „das Auge des Herrn“ das „Vieh mästet“, kann die Tierwohlsituation nicht allein vom Schreibtisch aus belastbar eingeschätzt werden, sondern muss auch mit dem Blick auf das Tier im Stall erfolgen. Das gilt für Behörden und für Tierhalter.

Ausgabe 07/2020

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